Ich denke in Klang. Während andere zuerst an Bilder, Kamerafahrten und Farblooks denken, höre ich als erstes: Wie klingt dieser Ort?
Als mich Leipzig Tourismus und Marketing für zwei Imagefilme zur Kreativ- und Musikstadt angefragt hat, war für mich sofort klar: Wenn eine Stadt so sehr von Kunst, Geschichte und Musik erzählt – dann muss sie auch in 3D klingen dürfen.
Mich reizt alles, was über normales Video hinausgeht. Ein schöner Schnitt, gute Farben, stabilisierte Shots – das können viele. Aber zu oft bleibt der Ton flach, obwohl unser Alltag eigentlich aus räumlichen Eindrücken besteht: Schritte hinter uns, eine Stimme von links, eine Tür, die ganz klar von hinten kommt.
Ich wollte wissen: Kann ein Tourist sich vor dem Bildschirm wirklich so fühlen, als wäre er bereits in Leipzig – nur über Bild und 3D-Audio?
Leipzig ist dafür ein perfektes Experimentierfeld. Die Stadt steht gleichzeitig für eine lebendige Kreativszene und eine einmalige Musiktradition – vom Gewandhausorchester bis zur freien Club- und Konzertszene.
Der Ausgangspunkt war immer die Person, die wir ansprechen wollen. Das Ziel war, alle mitzunehmen und alle Facetten von Leipzig in das Projekt einzubinden.
Also war die Aufgabe ideal: Zwei Filme, eine Stadt – einmal als Kreativstadt, einmal als Musikstadt, beide erzählt über Klang.
Dazu kam die Kampagne „Sounds of Germany“ anlässlich 250 Jahre Beethoven. Der Auftrag war, Deutschland über Sound erlebbar zu machen – nicht nur über schöne Postkartenbilder.
Genau das ist mein Thema. Also war es logisch, dass ich mich da reinwerfen musste.
Gleichzeitig kenne ich meinen eigenen Perfektionismus. Ich hinterfrage mich ständig: Finde ich das nur selbst gut – oder funktioniert das auch für andere?
Um diesen Reality-Check zu machen, habe ich den zweiten Leipzig-Clip auf Festival-Tour geschickt. Die Bilanz: mehrere Preise, Finalplätze, Halbfinals – aber auch eine Menge Absagen.
Und genau diese Mischung zeigt mir: Das ist keine Nischen-Spielerei, sondern ein Ansatz, der wirklich ankommt – auch außerhalb meiner eigenen Bubble.
Der Inhalt des Projekts ist darauf ausgelegt, die gesammelten Eindrücke und das Wissen über 3D-Audio und Leipzig so aufzubereiten, dass sie für alle verständlich und zugänglich werden.
„Immersiv“, „3D“, „Spatial Audio“ – das sind inzwischen Schlagworte, mit denen gerne geworben wird. Aber Immersion entsteht nicht automatisch, nur weil ein Logo von einem Audioformat im Abspann auftaucht.
Für mich bedeutet Immersion: Ich vergesse, dass ich vor einem Bildschirm sitze. Ich reagiere körperlich – drehe den Kopf, schrecke kurz zusammen, lache, weil sich etwas echt anfühlt.
Die Grundlagen der Immersion liegen dabei im Verständnis der physikalischen und psychoakustischen Effekte, die unser räumliches Hören ermöglichen.
Genau das wollte ich in Leipzig auslösen. Wenn jemand das Stampfen der Druckmaschinen hört, soll er kurz meinen, die eigenen Füße vibrieren.
Wenn das Leipziger Ballett tanzt, soll der Raum wirklich als Raum spürbar werden. Und wenn im Felsenkeller ein Cocktail gemixt wird, soll sich dieser Tresen akustisch so nah anfühlen wie der eigene Küchentisch.
Meine Überzeugung: Ton kann viel stärker Emotionen und Reiselust wecken als das hundertste „schöne“ Bild.
Gerade im Destinationsmarketing ist das eine riesige Chance. Der Grund für die starke emotionale Wirkung von 3D-Audio liegt in den Grundlagen des räumlichen Hörens, die unser Gehirn besonders intensiv ansprechen.
Der Ausgangspunkt war immer die Person, die wir ansprechen wollen: die potenziellen Besucher. Wir drehen komplett aus der Ich-Perspektive – die Kamera sind deine Augen, mein 3D-Audio-Setup sind deine Ohren.
Ich habe mir Leipzig deshalb wie ein Sound-Spielfeld vorgestellt. Jeder Ort musste zwei Dinge liefern: ein Bild, das trägt – und einen Klang, der trägt. Dafür habe ich gezielt akustische informationen gesammelt, um die Besonderheiten jedes Ortes einzufangen und für die spätere 3D-Audio-Produktion optimal zu nutzen.
Im Kreativstadt-Clip sind wir zum Beispiel im Museum der bildenden Künste, im Museum für Druckkunst, im Kunstkraftwerk und auf der Spinnerei unterwegs.
Bilder gibt es dort zuhauf. Spannend wurde es für mich in dem Moment, in dem ich mir fragte: Was ist hier der “Signature Sound”?
Im Museum für Druckkunst sind es ganz klar die Maschinen. Dieses Stampfen und Rattern hat einen eigenen Groove. Im Kunstkraftwerk war es die riesige Raumakustik, das Rascheln, das leichte Echo von Schritten, die Projektionen, die sich akustisch anders anfühlen als ein normaler White-Cube-Raum.
Auf der Spinnerei hörst du dieses leichte Arbeiten im Hintergrund, Türen, Schritte, Stimmen – alles Elemente, die ich sammle wie andere Leute Postkarten. Spezielle tonaufnahmen waren dabei entscheidend, um die Leipziger Klanglandschaft so realistisch und immersiv wie möglich wiederzugeben.
Eine Grundidee beim Musikstadt-Clip war: Was passiert, wenn man die Stadt nicht nur vertont, sondern aus ihren Geräuschen einen eigenen Beat baut?
Ich habe also zuerst mit einem simplen Metronom gearbeitet. Nichts Glamouröses – einfach ein Tempo, das locker groovt, aber genug Drive hat, um durch den Film zu tragen. Auf dieses Metronom habe ich dann geschnitten: Druckmaschinen, Schritte, Gläser, Klatscher – alles wurde so gesetzt, dass es rhythmisch zusammenpasst.
Erst danach kam die Musik ins Spiel. Statt zuerst einen Track zu wählen und das Bild anzupassen, habe ich bewusst andersherum gearbeitet: Der Beat der Stadt war da, und ich habe eine Musik gesucht, die diese Energie aufgreift. Gerade im 3D-Audio-Kontext spielt Musik eine besondere Rolle, da die räumliche Platzierung von Klängen und Instrumenten das Hörerlebnis intensiviert und neue Möglichkeiten für die Inszenierung eröffnet.
Die Lizenzmusik, die wir schließlich genutzt haben, habe ich in der Geschwindigkeit angepasst, bis Bild, Beat und Track eine Einheit wurden. Bestimmte Bands, wie etwa Pink Floyd oder Fleetwood Mac, eignen sich besonders gut für 3D-Audio, weil die Vielfalt der Instrumentierung und die Anzahl der Bandmitglieder eine spannende räumliche Verteilung im Soundraum ermöglichen.
So entsteht ein Flow, den man eher fühlt als bewusst analysiert.
Technisch wirkt der Film auf den ersten Blick unspektakulär: Historisch betrachtet begann die Entwicklung der Audiotechnologie mit Mono Sound, bevor sie sich über Stereo und Surround hin zu modernen 3D-Audioformaten weiterentwickelte.
Binaural Audio und die binaurale Aufnahme sind spezielle Techniken, um ein immersives 3D-Klangerlebnis zu schaffen. Am Ende liefern wir eine Stereo-Datei ab – das, was jede Plattform problemlos abspielen kann.
Das verwendete Format ist dabei entscheidend für die Kompatibilität mit verschiedenen Plattformen und Geräten, wie etwa Streaming-Diensten oder Blu-ray. Die „Magie“ passiert davor.
Ich arbeite mit Kunstkopf-Aufnahmen und zusätzlichen Mikrofonen, die ich später räumlich virtuell positioniere. Dafür nutze ich binaurale Plugins, mit denen ich jede Klangquelle im 360°-Raum um den Kopf des Hörers bewegen kann – inklusive Höhe, Richtung und Raumanteil.
Die Klangfarbe wird dabei durch die Form des Kopfes und der Ohren beeinflusst und trägt zur Lokalisierung der Schallquellen bei. ILD (interaurale Pegeldifferenz) und ITD (interaurale Laufzeitdifferenz) helfen dem Gehör, Schall aus verschiedenen Richtungen präzise zu erkennen.
Praktisch bedeutet das: Ich frage den Kameramann, welche Bewegung er machen wird. Dann wiederhole ich diese Bewegung mit dem Kunstkopf oder einem passenden Mikrofon-Setup.
So decken sich Bild und Tonbewegung möglichst natürlich. Moderne Audios bieten durch spezielle Formate und Technologien ein immersives Erlebnis, das weit über klassische Stereoaufnahmen hinausgeht.
Wenn das nicht perfekt klappt, kann ich die Position der Quelle im Nachhinein virtuell nachjustieren: Ein Geräusch etwas mehr nach links, weiter nach vorne, höher, tiefer, mit einem anderen Raumanteil versehen. Der Hall ist dabei extrem wichtig, weil unser Gehirn über Reflexionen Entfernungen und Raumgrößen einschätzt.
Die akustischen Eigenschaften des Raumes beeinflussen maßgeblich die Wahrnehmung und Authentizität des Klangs.
Am Ende bleibt das Ausgabeformat Stereo, aber die Information, wie der Klang am Kopf ankommen soll, ist darin „eingebacken“. Das Ziel ist, den original Klangraum so authentisch wie möglich wiederzugeben.
Mit Kopfhörern entfaltet sich dann der volle 3D-Effekt – genau wie im Leipzig-Projekt. Kopfhörer 3D spielen dabei eine wichtige Rolle, um die räumliche Wahrnehmung zu ermöglichen. Ein Smartphone mit geeigneten Kopfhörern reicht bereits aus, um 3D-Audio-Inhalte zu erleben.
Das wachsende Angebot an 3D-Audio-Inhalten auf verschiedenen Plattformen macht diese Technologie für immer mehr Nutzer zugänglich.
Verschiedene 3D-Audioformate verfolgen inhaltlich das gleiche Ziel: ein möglichst realistisches, immersives Hörerlebnis zu schaffen. Im einfachsten Fall genügt bereits eine binaurale Aufnahme und ein Paar Kopfhörer, um 3D-Audio zu erleben.
Am Ende stehen zwei Filme, die für mich sehr gut zeigen, was mit 3D-Audio im Tourismus-Marketing möglich ist. Das wachsende Angebot an 3D-Audio-Inhalten eröffnet im Tourismus-Marketing neue Wege, um Destinationen immersiv und emotional erlebbar zu machen.
Die Vielfalt der Audios, die in diesen Projekten eingesetzt werden, trägt maßgeblich dazu bei, ein einzigartiges und intensives Hörerlebnis zu schaffen.
Der Kreativstadt-Clip nimmt dich mit in Museen, Ateliers, Projekträume, druckende Maschinen und große Projektionen. Du hörst Kreativität – nicht nur, du siehst sie. Leipzigs Westen mit seinen früheren Industriebauten wird akustisch zur Werkstatt voller Ideen.
Der Musikstadt-Clip spannt den Bogen von Bach, Mendelssohn und Gewandhaus bis hin zu Clubs und Live-Locations außerhalb des Zentrums.
Du wechselst zwischen historischen Räumen, moderner Bühne und urbanem Nachtleben – und der Klang erzählt dir, wo du gerade bist, bevor du es bewusst im Bild erkennst.
Die Filme laufen international, unter anderem im Rahmen der Kampagne „Sounds of Germany“ und auf Plattformen wie Secret Escapes.
Gleichzeitig funktionieren sie auf Social Media hervorragend, weil der 3D-Klang dort ein echter „Scroll-Stopp“ ist: Wer mit Kopfhörern unterwegs ist, bleibt hängen, weil es plötzlich anders klingt als der Rest im Feed.
Der Festival-Run war für mich ein ehrlicher Stresstest. Ich wollte nicht nur Likes und Kommentare, sondern eine neutrale Außenperspektive.
Das Ergebnis: Mehrere Awards, einige Final- und Halbfinal-Platzierungen, insgesamt ein gutes Dutzend Festival-Screenings – und ja, auch Absagen. Aber genau diese Mischung zeigt mir: Das Konzept funktioniert, ohne dass ich mich in einer reinen Nische verliere.
Vor allem aber ist es für mich ein Beweis, dass Immersion kein leeres Marketingwort ist. Wenn Konzept, Kundenseite und kreativer Freiraum zusammenpassen, entstehen Inhalte, die Menschen emotional erreichen – auch über Kopfhörer und kleinen Screen.
An dieser Stelle auch ein großes Dankeschön an Leipzig Tourismus und Marketing GmbH und die Deutsche Zentrale für Tourismus in London. Ohne Vertrauen in eine noch relativ neue Herangehensweise an Destinationsmarketing wären diese Filme so nicht möglich gewesen.
Leipzig hat mir einmal mehr gezeigt, warum ich 3D-Audio mache. Die Grundlagen der 3D-Audio-Technologie und das Verständnis der physikalischen sowie psychoakustischen Effekte sind entscheidend, um Geschichten so zu erzählen, dass sie wirklich berühren.
Es geht nicht darum, Technik zu demonstrieren. Es geht darum, Geschichten so zu erzählen, dass der Mensch davor kurz vergisst, dass alles nur ein Video ist. Der Hörsinn spielt dabei eine zentrale Rolle, denn erst durch die immersive Wahrnehmung von Klang wird ein echtes Eintauchen in neue Welten möglich.
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